Grundrechte auf dem Tempelhofer Feld

(von Rechtsanwältin Doris Hartje)

Es stellt sich die Frage: Hat ein Dritter das Recht, einer Person zu untersagen, auf dem Tempelhofer Feld seine Meinung zu äußern z. B. allein akustisch oder auch schriftlich oder auch innerhalb einer Gruppe?

Die eindeutige Antwort lautet: Nein, es darf einer einzelnen Person oder einer Gruppe, nicht untersagt werden, auf dem Tempelhofer Feld ihre Meinung frei zu äußern durch Wort und/oder Schrift.

Tangiert sind hier insbesondere die Grundrechte Meinungsfreiheit (Art. 5 GG ) und Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) sowie Art. 1 Abs. 3 GG (Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt).
Zur Begründung verweise ich auf die Entscheidung des BVerfG vom 22. 02. 2011 ( -1 BvR 699/06 – ). Dieses hatte einen Fall zu entscheiden, in welchem Demonstranten und Demonstrantinnen auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens gegen die Abschiebung mehrere Personen demonstriert hatten.

Leitsatz 1 der Entscheidung:
„Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen , die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.“ 1

Die das Hausrecht innehabende Flughafen AG war in diesem konkreten Fall nicht gesetzlich legitimiert, den Demonstranten und Demonstrantinnen das Demonstrieren zu untersagen, geschweige denn sie der Räumlichkeiten zu verweisen. Das BVerfG. sagt ganz klar, dass der Staat keine Flucht aus der Grundrechtsbindung vornehmen kann durch Benutzung zivilrechtlicher Formen.

„Art. 1 Abs. 3 GG liegt eine elementare Unterscheidung zugrunde. Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden.“ „Eine Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatsubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt.“ 2
„Die unmittelbare Grundrechtsbindung betrifft nicht nur öffentliche Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden.“ 3

Fußnoten:
1Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 22. 02. 2011 (-1 BvR 699/06), Seite 1
2Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 22. 02. 2011 (-1 BvR 699/06), Randnummer 48
3Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 22. 02. 2011 (-1 BvR 699/06), Randnummer 49
Quelle: Originaltext Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 22. 02. 2011 (-1 BvR 699/06)
Abkürzungen: Abs.                          Absatz
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